Marco Caligiuri steht wie kaum ein anderer für die stille, beinahe unspektakuläre Seite des Profifußballs. Wer seine Geschichte zum ersten Mal hört, spürt sofort das Echo zahlloser Trainingsplätze, aufgeweichter Rasenkanten und endloser Busfahrten durch die Zweite Liga. Geboren 1984 als Sohn kalabrischer Einwanderer, wuchs er im badischen Villingen auf – ein Ort, in dem der Geruch von Tannenholz neben dem Aroma von Espresso in der Luft liegt. Schon als Kind zog es ihn jeden Nachmittag auf den Bolzplatz, wo er lernte, sich gegen ältere und kräftigere Gegenspieler mit Technik und Geduld durchzusetzen. Seine ersten Stollen hat er bis heute aufbewahrt; sie stehen, leicht angeschwärzt vom Kunstrasen, in einem Regal gleich neben einem signierten Trikot von Francesco Totti. Dass ausgerechnet dieser Italiener sein Idol wurde, hat nichts mit Nationalromantik zu tun, vielmehr mit der Eleganz, die Caligiuri später in seiner eigenen Karriere kultivierte. Damals ahnte niemand, dass der schüchterne Junge einmal über 300 Profispiele sammeln, den SC Freiburg zurück in die Bundesliga führen und als Kapitän bei Greuther Fürth einen Ruf als Integrationsfigur genießen würde.
Wenn man heute durch seine Heimatstadt schlendert, trifft man hin und wieder Menschen, die kurz innehalten, sobald der Name Caligiuri fällt. Sie erinnern sich an staubige Sommerabende, an denen er barfuß mit seinem Zwillingsbruder Daniel vor der Garage Freistöße übte. Die Garage hat noch immer Dellen, jede einzelne davon erzählt von Entschlossenheit und kindlichem Wetteifer. Dass aus den beiden Brüdern zwei Profifußballer wurden, war nie ausgemacht, vielmehr Ergebnis einer Mischung aus familiärem Rückhalt und hartnäckigem Selbstvertrauen. Während Daniel später in Wolfsburg, Gelsenkirchen und Augsburg seine Spuren hinterließ, schlug Marco den weniger glamourösen, aber nicht minder spannenden Weg ein. Seine Stationen lesen sich wie eine Reise durch die Fußballprovinz: VfB Stuttgart II, MSV Duisburg, Aalen, Freiburg, Mainz und schließlich Fürth. Doch gerade dort, in den vermeintlich kleineren Stadien, fand er das, was viele Stars bis heute suchen: Echtheit, Verbundenheit, den Duft von Bratwurst und Bier, der an Samstagnachmittagen über die Tribünen zieht und an vergangene Zeiten erinnert.
In Fürth wurde er nicht nur Kapitän, sondern auch Mentor für Nachwuchsspieler, die sich in den ersten Tagen zwischen taktischen Tafelbildern und medialer Dauerbelichtung verloren fühlten. Caligiuri führte sie in die Eisdiele an der Königstraße, erklärte, wie man einen klassischen Innenristpass schlägt, ohne den Rasen aufzureißen, und erzählte von jener Nacht im Pokalspiel gegen Dortmund, als er in der 89. Minute zum Ausgleich einköpfte, die Nordkurve beinahe explodierte und Marco trotzdem nur leise jubelte. Er war nie ein Mann der großen Gesten; sein Fußball blieb eine stille Kunst, verstanden von den Kennern auf den Rängen, die mehr beobachten als johlen. Vielleicht ist gerade deshalb sein Einfluss bis heute in Fürth spürbar: Auf dem Trainingsgelände tragen die Jugendtrainer Pullover mit der Nummer 13, seiner Rückennummer, und die Stadtverwaltung überlegt, den Platz vor dem Ronhof nach ihm zu benennen.
Abseits des grünen Rasens schlägt Caligiuri ein anderes Kapitel auf. Er studiert Sportökonomie, arbeitet als Experte für den Regionalfernsehsender FrankenTV und gründete eine gemeinnützige Stiftung, die sich um benachteiligte Kinder kümmert. Einmal pro Monat lädt er sie in die Kabine ein, erklärt die Bedeutung des Teamgeists und zeigt, wie ein Kapitänsamt Verantwortung lehren kann. Er sagt: »Fußball war mein Lehrer, aber die Gesellschaft ist die Prüfung.« Jene Worte hängen gerahmt in der Fürther Geschäftsstelle und erinnern daran, dass Erfolg nicht an Titeln, sondern an Spuren im Leben anderer gemessen wird. Heute lebt Marco mit seiner Familie in Nürnberg, genießt die Nähe zum Fränkischen Seenland und fährt anlaufswillig jede Woche nach Fürth, wenn die Kleeblätter spielen. In der Nordtribüne sitzt er dann inkognito, Mütze tief ins Gesicht gezogen, und lauscht dem Murmeln, das über die Ränge rollt, wenn ein Spiel sich seinem dramatischen Höhepunkt nähert.
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